Schlechtes UX/UI: Just Cause 3 – auch Videospiele sollten sich Mühe geben

Je mehr man sich mit einem Thema beschäftigt – in diesem Fall UX/UI, also die User Experience, die Benutzererfahrung und User Interface, also die Bedienoberfläche – desto mehr achtet man auf diese Elemente auch in anderen alltäglichen Dingen, wie DVD Playern, Klimaanlagen im Auto oder eben Games. Ich habe mir vor kurzem Just Cause 3 im Playstation Store gekauft, es war im Angebot (ich kaufe fast nur noch Spiele zu 1/3 vom Preis). Es hat schon 2, 3 Jährchen auf dem Rücken, macht aber einen irren Spaß.

Man spielt Rico Rodriguez, und genauso kitschig wie der Name ist wird auch die Story gesponnen: Nachdem man vorher anderswo „gearbeitet“ hat (ich hab die Vorgänger leider nicht gespielt) kehrt man in seine Heimat zurück – nur um zu sehen, dass ein irrer Diktator das Land übernommen hat. Das kann man natürlich nicht auf sich sitzen lassen…

Big badaboom!

Bang Boom Bang

Während andere Spiele wie etwa Far Cry 3 und 4 oder Metal Gear Solid: Phantom Pain, ich sage mal: ähnliche Stories und Welten haben, in denen man sich Station von Station durchkämpfen und die Schauplätze von den Bösen befreien muss, so geht Just Cause 3 in einer Hinsicht einen völlig anderen Weg: Man muss alles, mit möglichst viel Lärm, in die Luft sprengen. Wer auf Schleicher-Shooter steht ist hier im falschen Spiel. Wie ein tasmanischer Teufel wirbelt man durch gegnerische Basen und wirft Granaten um sich während man parallel mit Bazooka sogenannte „Chaos Objects“ in die Luft sprengt und sich mit einem Enterhaken von Wand zu Wand reißt, oder Gegner damit durch die Luft kickt.

Ich beschreibe das so ausführlich um auch gleich auf das Problem der Macher hinzuweisen. Es gibt eine Unmenge an Möglichkeiten: Laufen, springen, schießen, nachladen, Enterhaken abschießen, Granaten werfen, Jetpack anmachen, Waffen auswählen, Karte bzw. Menü aufrufen, und, und, und. Man kann auch vom Jetpack-Wingsuit auf einen Fallschirm wechseln und hat dann nochmal andere Waffen als vorher, die auf anderen Tasten aktiviert werden.

Man braucht wirklich eine Weile, bis man die komplexe Steuerung verinnerlicht hat. Der Playstation Kontroller hat neben den zwei Analog Pads 14 weitere Knöpfe: Links das Kreuz mit vier Buttons, rechts vier runde Buttons, oben die vier L- und R-Tasten sowie die Analog Pads, die man drücken kann.

UX

Push the Button

Oh, du willst die Steuerung sehen? Welche denn?

So eine Armada an Knöpfen muss man sich für über 10 Fahrzeuge merken.

Und all diese Knöpfe sind irgendwie belegt. Wenn man das Optionsmenü aufruft, um die Controller-Belegung zu sehen, bekommt man nicht als erstes den Controller zu sehen, sondern eine Auswahl, welchen Controller: Den, wenn man läuft? Wenn man rennt? Vom Autofahren? Den im Panzer? Beim Helikopter fliegen? Den im Flugzeug? Im motherfucking Mech? Man muss erstmal zehn verschiedene Controller-Modi lernen, bevor man die Fahrzeuge wirklich beherrscht. Wahnsinn.

Grausame Shortcuts

Es muss eine abartige Herausforderung gewesen sein, diese Anzahl an fahrbaren Gegenständen und fahrzeuglosen Zuständen alle unterzubringen. Da werden sich ein paar Profis tagelang den Kopf drüber zerbrochen haben. Und trotzdem passiert immer wieder das gleiche: Ich bin zu weit vorgeprescht und mein Bild wird langsam farblos. Das heißt, ich gehe bald drauf, wenn ich mich nicht verstecke und kurz meine Energie zurückkehren lasse. Also will ich mich mit dem Enterhaken auf L1 wegreißen. Doch in der Hektik des Gefechts drücke ich aus Versehen R1 und BOOM detoniert eine Granate direkt vor mir, weil ich nah einer Wand stand. Tot. Manche Missionen sind knackig schwer und da ist es maßlos frustrierend, wegen so einem Fehler zu sterben. Noch ein Beispiel. Ich sitze in einem Mech und ein Panzer kommt angerast und ballert auf mich ein. Er ist zu nah, als das ich nicht Schaden nehmen würde, also will ich mit dem Maschinengewehr draufhalten und keine Rakete abfeuern. BOOM, falscher Knopf, Mech kaputt.

Es macht ein bisschen den Flow kaputt. Wenn man hier noch ein bisschen weiter gedacht hätte, wären die Knöpfe so verteilt worden, dass man nicht ab und zu so fatale Fehler machen würde. Wäre hier ein UX Spezialist an Bord gewesen, hätte er die Belegung so gemappt, dass nie zwei verwechselbare Knöpfe nebeneinander gelegen hätten…

Einloggen. Dann laden. Warum?

Erstmal einloggen (ca 30 Sekunden)...

...dann laden (weiter 30 Sekunden). Parallel? Nö.

Ein weiterer Zeitfresser ist das simple Starten des Spiels. Sobald ich auf dem Titelbildschirm X drücke, um das Spiel zu starten (was schon bescheuert ist), und dann „Spiel fortsetzen“ auswähle, kommt ein Einloggen-Bildschirm. Ich habe eine 200 Mbit Leitung mit tollen Ping und trotzdem sind die Server von Square Enix so langsam, dass es etwa eine halbe Minute dauert, bis ich eingeloggt bin. Und was kommt dann? Danach erscheint der Ladebildschirm des Spiels. Warum wird man nicht parallel eingeloggt und das Spiel geladen? So ein Schwachsinn.

UI

Nicht nur das UX, auch das UI ist konfus

Die Karte des Spiels.

Trend vieler aktueller Spiele ist es zudem, möglichst viel Text und Info auf dem Bildschirm unterzubringen. Und dann entscheiden sich die Studios dafür, die Schriftart so klein zu machen, dass alles auf den Schirm passt. Sitzen denn die meisten Casual Gamer, also der Hauptteil der PS4 (Pro) Benutzer, nur einen halben Meter vor dem Fernseher? Oder sitzen sie wie normale Menschen drei Meter vom Fernseher entfernt? Mehrmals musste ich aufstehen um kleine Texte zu lesen, die wichtig waren, um im Spiel weiterzukommen. Das hatte ich bei MGS:PP auch schon. Auf Webseiten sieht man ja den Trend zu größeren Schriftarten, um die Lesbarkeit auf kleinen Displays zu erhöhen. Auf dem Screenshot oben kann man alles relativ gut lesen. Ich verkleinere ihr mal, so dass er von der Größe her besser passt:

Und, immer noch gut lesbar? Ich sitze etwa zweieinhalb Meter von einem normal großen Full HD TV entfernt und bekomme das kaum entziffert. Die Hauptmenü-Punkte kann man klar lesen, aber bei dem Text untendrunter wird es schon schwierig.

Just ‘cause we didn’t care

Stimmt, das Menü gibt es ja auch noch.

 

Bei Just Cause ist auch die Menüführung eine kleine Katastrophe. Das fängt schon damit an, dass es zwei Menüs gibt. Ja, zwei. Das eine wird über die Option Taste aufgerufen und hat die Settings im klassischen Sinne: Schwierigkeit, Audio, etc. – keine kurzfristig relevanten Einstellungen, sondern Grundsatzeinstellungen. Das andere Menü, das wichtige, dass man wegen der Karte dauernd aufmachen muss, hat wiederum eine Armada an Tabs. Sinnvollerweise ist der Start-Tab die Karte, auf die man regelmäßig blicken muss. Wenn man jedoch auf einen anderen Tab navigiert hat und das Menü schließt, erscheint dieser Tab beim nächsten Aufruf wieder – und man muss manuell zur Karte zurück-tabben.

Menüs, MENÜS, MENÜÜÜÜÜSSSSS!

Macht auf Papier Sinn, ist aber in der konstanten Anwendung unnötig und verbraucht einfach viel Zeit. Saudumm gelöst ist auch, dass die Tabs Untertabs haben, so dass man mit R1 bzw. L1 durch die Tabs navigiert und dann innerhalb eines Tabs mit R2 bzw. L2 die Unterpunkte aufruft. Es ist anstrengend! Vielleicht gibt es keine bessere Lösung, mag sein. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass hier statt Untertabs ein scrollen mit dem Kreuz oder so angenehmer und sinnvoller hätte sein können.

Komm schon Rico, da geht noch mehr UX/UI

Hey Mann, ich bin ein Pfau, ihr müsst mich fliegen lassen!

Weltweit legen sich Firmen ins Zeug, um das Internet zu verbessern, um die immer normalere Lebensweise mit dem Netz zu verbessern. Navigationen werden optimiert, Flows verbessert, Größen angepasst, statt Pixel werden Moleküle benutzt – dadurch ist der gegenwärtige Trend mit UX/UI Optimierung ja so groß geworden. Und Spiele, die sich Millionenfach verkaufen, die tagtäglich von zig Spielern stundenlang benutzt werden?

Warum ist der UX/UI Trend bei AAA-Videospielen noch nicht angekommen?


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